Wenn ich jetzt an den Moment zurückdenke, der alles verändert hat, kann ich es kaum glauben. Damals ging ich noch auf die Hauptschule und mein einziges Interesse war das Boxen, was in meiner damaligen Situation sicherlich ein wichtiger Faktor war.
Doch wirklich inspirierend oder besser gesagt prägend war ein Erlebnis, das auf den ersten Blick unscheinbar war. Ich war, wie gesagt, in der Hauptschule und machte mir kaum Gedanken darüber, was ich nach der Klasse 10 machen würde. Als ich jedoch ein längeres Schülerpraktikum absolvieren musste und nicht gerne Bewerbungen schrieb, ging ich einfach persönlich von Betrieb zu Betrieb und stellte mich vor.
Bei einer privaten Kindertagesstätte hatte ich bereits telefonisch ein Vorstellungsgespräch vereinbaren können. So ging ich also nichts ahnend zu diesem Gespräch, ohne zu wissen, dass dies für mich alles verändern würde.
Das Gespräch verlief wie immer, wenn ich mit Menschen in Kontakt komme, sehr entspannt und wir waren uns gleich sympathisch. Wir sprachen bestimmt 20 Minuten über Gott und die Welt, bis sie zu der Frage wechselte, von welchem Gymnasium ich denn kommen würde.
Ich zögerte, da ich ihr nichts von einem Gymnasium erzählt hatte, also antwortete ich: „Ich komme von der Hauptschule Kronenberg.“ Und plötzlich war die Sympathie weg. Sie stand auf und sagte: „Ich denke, wir können das Gespräch hier beenden. So ein Klientel suchen wir hier nicht und Sie ja sicher auch nicht.“ Ohne wirklich zu wissen, was gerade passiert war, verabschiedete die Leiterin mich kurz und knapp an der Tür.
Eine solche Form von Ablehnung, Diskriminierung und Vorurteilen mir gegenüber hatte ich noch nicht erlebt. In den nächsten Wochen konnte ich nicht aufhören, daran zu denken. Ich wurde nicht aufgrund meines Auftretens, meiner Intelligenz oder sonst irgendwas abgelehnt, sondern ausschließlich aufgrund meines sozialen Status.
Dieses Erlebnis war der Wendepunkt. Hierzu muss man wissen, dass meine Schwester zur gleichen Zeit gerade ihr Abitur absolvierte, was dem Ganzen noch die Krone aufsetzte.
Ich fing an, mein bisheriges Leben zu hinterfragen und hörte auf, Schuldige für meine aktuelle Situation zu suchen. Mit der Einstellung, es den Hatern zu zeigen, schloss ich kurze Zeit später meine erste Ausbildung zum Kinderpfleger ab, bei der ich die nächsthöhere schulische Qualifikation erwarb. Im Anschluss daran folgte die Ausbildung zum Erzieher mit der Qualifikation zum Fachabi. Weiterhin getrieben, es allen zu zeigen, schloss ich kurze Zeit später auch das Studium zum Sozialpädagogen und Management mit einem Durchschnitt von 1,3 ab.
Rückblickend muss ich lächeln bei dem Gedanken, dass die Frau, die das Potenzial, wie viele andere, nicht sehen konnte, heute noch immer in ihrem angestellten Job arbeitet und als kleiner Side-Fakt nur einen Bruchteil von dem verdient, was ich monatlich umsetze.